Satte 620.000 Ergebnisse liefert google für die Suchanfrage “Regionale Lebensmittel”. Die Bibel hat kaum mehr Wörter. Regionale Anbieter umwerben uns aggressiv und gaukeln uns vor, wir würden etwas Gutes tun. Bei genauerer Betrachtung sind aber alle Argumente haltlos bis unverantwortlich – bis auf eine kleine, seltene Ausnahme.
Die hauptsächlich vorgebrachten Argumente für Regionale Lebensmittel sind:
1. Umweltfreundlicher weil weniger CO2 beim Transport verbraucht wird
2. Sicherer als aus fernen Ländern importierte
3. Sie unterstützen die Regionale Wirtschaft
Regionale Lebensmittel sind umweltfreundlicher – das ist äußerst fraglich
Der Transport macht bei Lebensmitteln nur einen sehr kleinen Bruchteil der gesamten Umweltbilanz aus. Häufig weniger als 10%. Aus Umweltsicht fällt viel mehr ins Gewicht, wie das Produkt hergestellt wurde. Wurden dafür Stickstoffdünger eingesetzt? Wie “regional” ist das Schwein eigentlich, wenn das Futter aus Südamerika kam? Fährt hier ein regionaler Landwirt mit seinem Diesel Trecker aufs Feld oder wurden die importierten Bohnen von einem ägyptischen Arbeiter in Handarbeit erzeugt. Wie und womit wurde es verpackt? Viele Wissenschaftler bemühen sich mittlerweile, die kompletten Umweltbilanzen von Produkten zu errechnen – was ein viel sinnvollerer Ansatz ist, als sich auf die CO2 Bilanz zu beschränken. Das ist mühsam und aufwendig, weil viele Daten gesammelt werden müssen. Bei einigen Lebensmitteln kamen überraschende Ergebnisse heraus: Rindfleisch aus Argentinien hat eine besser Bilanz als Deutsches: der Transport auf Schiffen aus Südamerika fiel kaum ins Gewicht. Im Frühjahr haben importierte Äpfel ein bessere Umweltbilanz als heimische: die Lagerung über den Winter ist bei uns sehr energieaufwendig.
Hinzu kommen noch Faktoren die wir direkt selbst beeinflussen. Mit wie viel Energie bereiten wir das Lebensmittel zu? Oder wie wir zur Einkaufsstätte kommen: Wer zum Beispiel mit dem Auto fährt, dessen Energiebilanz lässt sich auch durch das umweltfreundlichste Lebensmittel nicht mehr retten.
Fazit: wir können als Verbraucher nicht abschätzen, ob ein regionales Lebensmittel eine bessere Umweltbilanz hat als ein importiertes. Kann sein, kann aber auch nicht sein. Wir können Lebensmittel kaufen, weil wir keine Pestizide haben auf Feldern haben wollen. Was gut ist. Ein importiertes Produkt muss aber nicht schlechter für das Klima sein als ein regionales. Wer durch sein Verhalten garantiert CO2 einsparen will, sollte lieber einmal Fahrrad statt Auto fahren.
Regionale Lebensmittel sind sicherer – wohl kaum
Emotional ist das Argument nachvollziehbar. Was uns Nah ist, ist uns vertrauter und wir fühlen uns sicherer. Beim kritischen Nachdenken merken wir aber schnell, dass wir uns hier etwas vormachen. Zitronen, Olivenöl, Gewürze, Kaffee, Schokolade … kommt alles aus fernen Ländern, von fernen Produzenten und wir essen es mit Freude. Gleichzeitig fanden viele Lebensmittelskandale direkt vor unserer Haustür statt.
Natürlich gibt es viele Produzenten bei uns, die hervorragende Lebensmittel herstellen. Und viellicht gehören wir zu den Glücklichen, die diese Menschen noch persönlich kennen. Diese Menschen gibt es aber auch woanders auf der Welt.
Regionale Lebensmittel unterstützen die Regionale Wirtschaft – bitte nicht
Das ist in vielfacher Hinsicht ein äußerst kritisches Argument.
Erstens basiert unser Wohlstand in Deutschland wesentlich auf dem Export. Wir leben so gut, weil deutsche Firmen weltweit Abnehmer für Produkte finden. Ohne die dadurch entstehenden Arbeitsplätze, Einkommen, Steuereinnahmen und was alles damit zusammen hängt, ginge es uns wirtschaftlich wesentlich schlechter. Wir können kaum erwarten, dass andere Menschen uns unsere Produkte abkaufen und wir selbst nur beim Nachbarn nachfragen.
Zweitens erinnert “ich kaufe nur beim Deutschen” ganz übel an nationalkonservatives Gedankengut. In der gesamten Menschheitsgeschichte hat Handel unter Völkern nicht nur den Wohlstand erhöht. Er hat auch zur Völkerverständigung und zum kulturellem Austausch beigetragen.
Ein gutes Beispiel ist die EU. Bei allen bekannten Problemen dürfte unbestreitbar sein, dass sie einen Beitrag zur Verständigung zwischen Ländern leistet. Hervor ging sie aus Nachkriegs-Handelsverträgen (der Montanunion) vormals verfeindeter Staaten. Das Gegenteil davon sind Handelsembargos. Sie werden oftmals verhängt wenn es ernsthafte Probleme zwischen Staaten gibt.
Wer also fordert “kauft regional um die hiesige Wirtschaft zu unterstützen” sollte vielleicht noch einmal über die Konsequenzen nachdenken.
Einzige leider zu seltene Ausnahme – Kultur
Das einzig tragfähige Argument für die Nachfrage regionaler Lebensmittel dürfte die Erhaltung kultureller Identität sein. Essen ist ein Teil unserer Kultur: Finkenwerder Herbstprinz, Bentheimer Schweine, Bamberger Hörnla, Alblinsen, Teltower Rübchen usw. Diese durch die Agrarindustrie bedrohten Lebensmittel sind ein wichtiger Teil unser Identität. Wir sollten Sie erhalten und Produzenten unterstützen, die sich darum kümmern.